»Meine Sprache ist Deutsch«. Deutsche Sprachkultur von Juden und die Geisteswissenschaften 1870–1970
In den sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelnden Geisteswissenschaften spielten jüdische Gelehrte eine wichtige Rolle. Die Begegnung einer in über 100 Jahren entwickelten deutschen Sprachkultur von Juden mit einer neuen Formation des Wissens führte die beteiligten Wissenschaftler dabei in eine ambivalente Situation: Einerseits erschien das Verstehen von Geist und Kultur ein Weg zur oft ersehnten Integration, andererseits wurde dieser Geist oft selbst national besetzt und schloss eine spezifisch jüdische Sprachkultur latent oder auch manifest aus. Diese prekäre Lage erwies sich kulturell und wissenschaftlich als außerordentlich produktiv und kann als entscheidender Faktor für den zentralen Beitrag jüdischer Wissenschaftler zur Erfolgsgeschichte der Geisteswissenschaften gelten. An dieser Geschichte zeichnet sich nicht nur besonders deutlich die spezifische Problematik jüdischen Sprechens in Deutschland ab, sie eröffnet auch Perspektiven auf die historischen wie aktuellen Potenziale und Grenzen der Geisteswissenschaften.
Mit Unterstützung von Axel Springer Stiftung und Fazit Stiftung
Programm
Donnerstag, 17.01.2013
14.00–16.30
Stephan Braese (RWTH Aachen), Daniel Weidner (ZfL Berlin): Einführung
Petra Ernst-Kuehr (Karl-Franzens-Universität Graz): »Möge die thatkräftige Unterstützung aller derer, welche sich der Goetheforschung weihen, [...] nicht fehlen.« Vergessene Aspekte der Literaturwissenschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert
Arndt Engelhardt (Simon-Dubnow-Institut Leipzig): Bildung und Teilhabe. Moritz Veit als Verleger im Zeitalter der Emanzipation
17.00
Hans-Joachim Hahn (ETH Zürich): Parodie und Wissenschaft. Fritz Mauthners politische Sprachkritik
John McCole (University of Oregon, Eugene): Geheimnis und schriftlicher Verkehr. On Georg Simmel’s Language
Freitag, 18.01.2013
10.00–12.00
Claude Haas (ZfL): Welche Sprache spricht der ›Deutsche Geist‹? Zum kulturhistorischen Ort der Wissenschaftsprosa Friedrich Gundolfs
Mona Körte (ZfL): Dichtungslogiken des Ich. Theoriebildung im Exil bei Margarete Susman und Käte Hamburger
12.30–13.30
Philipp von Wussow (Simon-Dubnow-Institut Leipzig): »In die Worte bricht Geschichte ein«. Theorie und Sprachreflexion bei Löwenthal, Benjamin und Adorno
15.00–17.00
Andreas B. Kilcher (ETH Zürich): »Das Judentum ist aus seiner Sprache herzuleiten.« Zum Sprachdenken des jungen Gerhard Scholem
Sabine Sander (Max Weber-Kolleg Erfurt): »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt«. Sprache zwischen Enthüllen und Schweigen bei Rosenzweig und Wittgenstein
17.30
Birgit R. Erdle (Hebräische Universität Jerusalem): »Wortforschung als Kulturgeschichtsforschung«. A. J. Storfers Archiv der Wörter
Liliane Weissberg (University of Pennsylvania, Philadelphia): Sehnsucht nach Goethe. Freud als Schriftsteller
Samstag 19.01.2013
10.00–12.00
Hinrich C. Seeba (University of Berkeley, California): »Disrupted Language«. Zur Heimat der Sprache unter Emigranten
Martin Treml (ZfL): Zwischen Detail und Weltliteratur. Elemente eines deutsch-jüdischen Abécédaire bei Jacob Bernays und Erich Auerbach
12.30
Achtung! Vortrag von Sigrid Weigel (ZfL) fällt wg. Krankheit aus!
Christoph König (Universität Osnabrück): Peter Szondis Ethik des wissenschaftlichen Stils