Actors of History. Georges Didi-Huberman und Carlo Ginzburg im Gespräch
Seit dem Fall der Berliner Mauer vor zwanzig Jahren, des Sinnbildes von Spaltung und gleichzeitiger Neutralisierung von Konflikten, ist Europa erneut zu einem Raum geworden, in dem Geschichte ereignishaft wahrgenommen wird. Dabei stellt sich auch die Frage nach ihren Akteuren. Dringlicher wird sie noch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise, die die Wiederkehr der Staatsaktionen und der großen Ideen in Aussicht stellt.
Wer versteht es, in die Zeitläufte einzugreifen? Wer verfügt vor allem über Mittel, sie diagnostisch zu begreifen, sich in ein analytisches Verhältnis zu ihnen zu setzen, um Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart zu geben?
Carlo Ginzburg und Georges Didi-Huberman werden in kurzen Stellungnahmen und in einem Gespräch Positionen erörtern, die diese Probleme im Horizont der Kulturwissenschaft verorten und sie so besser verständlich machen.
Moderation: Martin Treml (ZfL) und Sigrid Weigel (ZfL)
Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Georges Didi-Huberman
Als ideeller Nachfahre von Kulturwissenschaftlern wie Aby Warburg und Walter Benjamin ist Didi-Huberman eine zentrale Figur für den Dialog zwischen dem engeren Fachgebiet der Kunstgeschichte und den Kulturwissenschaften. Zu Arbeitsschwerpunkten des Kunsthistorikers an der Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales zählen neben Geschichte und Theorie der Bilder auch Anthropologie und Psychoanalyse. Seine Arbeiten bewegen sich im zeitlichen Raum von der Renaissance bis zur zeitgenössischen Kunst, behandeln beispielsweise Probleme der ikonografischen Wissenschaft des 19. Jahrhunderts und ihre Umsetzungen in den künstlerischen Strömungen des 20. Jahrhunderts. Georges Didi-Huberman ist Honorary Member des ZfL und erhielt auf Vorschlag des ZfL den Humboldt-Forschungspreis 2007.
Neueste Veröffentlichungen: Schädel sein, Zürich/ Berlin 2008; Das Archiv brennt, Berlin 2007; Bilder trotz allem, München 2007; Ninfa moderna. Über den Fall des Faltenwurfs, Zürich/ Berlin 2006; Le danseur des solitudes, Paris 2006; Ex-voto. Images, organe, temps, Paris 2006; Gestes d’air et de pierre. Corps, parole, souffle, image, Paris 2005; Venus öffnen. Nacktheit, Traum, Grausamkeit, Zürich/ Berlin 2004.
Carlo Ginzburg
In seinem in mehr als fünfzehn Sprachen übersetzten und mit unzähligen Preisen ausgezeichneten Werk erforscht Ginzburg, seit 2006 Professor für Europäische Kulturgeschichte an der Scuola Normale Superiore in Pisa, mit detektivischer Akribie die Quellen, Spuren und Bilder der Geschichte. Seine philologisch geschulten Untersuchungen sind vor allem dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit gewidmet, reichen aber bis in die Gegenwart hinein. Als Mitbegründer der Mikrogeschichte gelingt es ihm, Ideen, Mentalitäten oder kulturelle Muster durch die intensive Analyse einer Person, eines Ereignisses oder eines Ortes zu erhellen: ob es um das Weltbild eines ketzerischen Müllers um 1600 geht, das er aus Inquisitionsakten rekonstruiert, um die Interpretation von Picassos „Guernica“ oder um erkenntnistheoretische Fragen der historischen Perspektivik. Carlo Ginzburg ist Honorary Member des ZfL und erhielt auf Vorschlag des ZfL den Humboldt-Forschungspreis 2008.
Neueste Veröffentlichungen: Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte, Berlin 2005; Die Wahrheit der Geschichte. Rhetorik und Beweis, Berlin 2001; No island is an island: four glances at English literature in a world perspective, New York 2000; Das Schwert und die Glühbirne, Frankfurt/ M. 1999; Holzaugen. Über Nähe und Distanz, Berlin 1999; Spurensicherung. Die Wissenschaft auf der Suche nach sich selbst, Berlin 1995.