Arbeitskreis Fiktionalität und Wissenschaft

Der Arbeitskreis Fiktionalität und Wissenschaft besteht seit dem Wintersemester 2020/21 und trifft sich mehrmals im Semester.

Fiktionalität im Sinne von Formen und Inhalten einer Darstellung, die dem Faktischen der (angenommenen) Wirklichkeit nicht entsprechen, ist ein integraler Aspekt nicht nur der Künste, sondern auch der Wissenschaften und ihrer Popularisierung. Gerade für die ›exakten‹ Naturwissenschaften sind Fiktionen wesentlich an der Generierung von Wissen beteiligt und bilden einen wichtigen Bestandteil ihrer Erklärungen: Wissen wird in vielen Fällen erst mittels Fiktionen erzeugt oder besteht in Form von theoretischen Begriffen, kontrafaktischen Idealisierungen und Modellen überhaupt in diesen (mathematischen) Fiktionen. Bekannte Beispiele sind das ›ideale Gas‹, der ›Massepunkt‹, das Konzept des Organismus oder der unendlich großen Population. Auch wenn (oder gerade weil) diese Begriffe keine direkte Entsprechung in der Wirklichkeit haben, ermöglichen sie das Verstehen und Erklären von Einzelfällen über das Identifizieren von kausalen Regelmäßigkeiten und Prozessmustern. Analog dazu werden kontrafaktische Szenarien in den Geschichtswissenschaften dazu eingesetzt, strukturelle von kontingenten Faktoren des Geschichtsverlaufs zu trennen und dessen wesentliche Determinanten zu identifizieren. Fiktionalität in den Künsten ist nicht an solche pragmatischen Funktionen gebunden. Doch es gibt sie auch, zum Beispiel im Bereich der literarischen (und filmischen) Wissenschaftsfiktionen – der ›Science Fiction‹ – als Imaginationsraum, der es ermöglicht, unhinterfragte Prämissen zu reflektieren, neue Wege und Welten zu denken.

Die Fragen des Arbeitskreises lauten, wo genau die Parallelen und Unterschiede zwischen solcher künstlerischen und der wissenschaftlichen Fiktionalität liegen, wie und wo sie in einen Austausch miteinander treten, welcher Gewinn für ein Verständnis der einen Seite durch den Bezug zur jeweils anderen zu erzielen ist.

 

Abb. oben: © D.M. Nagu